Kaum zu glauben, aber das Maifeld Derby entwächst so langsam seinen Kinderschuhen! Schon zum achten Mal haben sich Musikbegeisterte aus ganz Deutschland und teilweise sogar Europa in unserer Quadratestadt versammelt, um drei Tage mit 70 Künstlern aller Genres zu genießen. Als Liebhaber- und vor allem Entdeckerfestival ist das Maifeld Derby inzwischen in der Szene bekannt und wird auch regelmäßig mit Lobeshymnen überschüttet – zu Recht.
Nebenbei ist die Stimmung so entspannt und freundlich, dass man sich hier jedes Jahr wie bei guten Freunden fühlt. Nicht zu vergessen auch das leckere Essens- und Getränkeangebot, das größtenteils von unseren Mannheimer Locals betrieben wird. In diesem Jahr gesellten sich zu den Locals auch noch neue Gesichter dazu, so z.B. die Damen und Herren von Aperol, die für orangene Farbkleckser in Form von schicken Drinks sorgten, außerdem gab es einen wirklich leckeren Crêpes und Galettestand von unseren Nachbarn aus Frankreich oder auch Eis mit Weingeschmack. Ein Street-Food-Market ist hier also irgendwie all-inklusive und das bildet somit die Vielfalt von Mannheim sehr gut ab: gute Musik, gute Stimmung, gutes Essen. Doch wie waren denn nun die einzelnen Tage in musikalischer Hinsicht?
FREITAG
Am Freitag ging’s entspannt los, eingeläutet wurde das Festival natürlich von echtem Lokalkolorit in Form von den Mannheimer Indierockern Gringo Mayer und das war schon mal ein Allererste-Sahne Intro für alles, was darauf folgen sollte. Das Wiener Elektropop-Duo Leyya sorgte direkt für gute Laune und hibbelige Beinchen im Palastzelt, als Krönung des Sets gab’s den Hit „Superego“, der zurzeit auf meiner Happy-Playlist rauf und runter läuft.
Bei angenehmen 23 Grad und Sonne-Wolken-Mix, also bestem Festivalwetter, traten die stylishen Norweger namens Great News auf der Fackelbühne auf. Der Bandname ist hier Programm, so viel kann ich bestätigen, denn sobald diese Herren die Bühne betreten, gibt’s tatsächlich nur noch großartige Neuigkeiten – zumindest im musikalischen Sinne. Wer das Konzert verpasst hat, für den gibt’s auch Great News, denn die netten Norweger kommen im Herbst nochmal nach Mannheim in die Kulturbrücken Jungbusch zurück!
Wem das Derby bis dahin noch nicht tanzbar und vor allem nicht weiblich genug war, der war schließlich im Palastzelt bei Ibeyi richtig. Unterschätze niemals die Power von zwei Mädels, ich sag es ja immer wieder, aber diese zwei Ladies beweisen es allemal. Egal ob mit Instrumenten oder komplett nur mit ihren Stimmen, die Französinnen brachten genau die richtige Portion Girl Power mit. Nebenbei erwähnten sie dann mal kurz, dass Michelle Obama großer Fan ist und sie deshalb Teile ihrer Reden in ihre Songs verarbeiten. Message: top, Musik: top – ich war jedenfalls sehr begeistert von diesem Auftritt.
Passend zum Bierchen, der Weinschorle oder dem hübschen Aperol zwischendurch gab’s auf der Fackelbühne ein chilliges Konzert von Klangstof, den Indie-Electro-Pop-Rockern aus den Niederlanden. Spätestens jetzt war das Gelände auch gut gefüllt, jedoch immer noch so angenehm, dass jeder genug Platz zum Tanzen, Essen oder Trinken hatte, was auch daran lag, dass es in diesem Jahr noch einen liebevoll angerichteten Biergarten mit weiteren Sitzgelegenheiten gab.
Danach verschlug es mich ins Zelt zu Rhye, die mit ihrem verträumten Soulpop direkt in mein Herz trafen. Zu meiner Überraschung löste sich nun auch die Frage, ob hier ein Männlein oder Weiblein singt: es ist ein Mann, der aber eine der weichsten und interessantesten Stimmen hat, die ich seit langem gehört habe. Zum krönenden Abschluss gab sich Übermusiker Nils Frahm als Headliner die Ehre und kreierte auf der Bühne Soundwelten irgendwo zwischen Beethoven und Kraftwerk. Mir persönlich war das sogar eine Nummer zu anspruchsvoll für ein Festival (im positiven Sinne!), sodass ich mich mit der Frahmschen Musik gerne nochmal auf einem Solo-Konzert auseinandersetzen möchte.
SAMSTAG
Tag zwei ist meiner Meinung nach oftmals der schönste Festivaltag: Rücken und Füße machen noch mit und der Wehmut, dass das Derby bald schon wieder vorbei ist, hält sich noch in Grenzen. Nachdem dann noch die Sonne raus kam, war schon ohne Musik alles top. Passend dazu machte Kid Simius auf der Fackelbühne mächtig Stimmung und sorgte für fröhliche Elektrosounds mit richtig guten Gitarrenriffs und mauserte sich schnell zu einem meiner persönlichen Highlights des Derbys.
Wer sich auch am Samstag nochmal eine gehörige Portion Girl Power – bzw. Power generell – abholen wollte, war im Palastzelt bei Tank and the Bangas richtig. Die Frontfrau machte Stimmung, als wäre hier Whoopi Goldberg in ihren besten Sister Act Zeiten hingebeamt worden, und auch die Besucher spürten die gute Laune dieser amerikanischen Soul-Funk Kombo in allen Gliedmaßen.
Achja, Parcours d’Amour, normalerweise immer meine Lieblingsbühne, in diesem Jahr war es mir hier jedoch oft einen Tick zu ruhig. Der Däne Lasse Matthiessen konnte mich dann trotz ruhigen, nachdenklichen Songs (in Dänemark ist es so dunkel, das geht einfach nicht anders, wie er uns höchstpersönlich erklärte) überzeugen. Seine röhrige Stimme hat die ganze doch sehr unhyggelige, melancholische Musik perfekt abgerundet.
Mehr per Zufall als per Absicht begegnete ich schließlich All Them Witches auf der Fackelbühne. Hier ging’s um Rock und Roll, um sonst Nichts und das war auch gut so. Für alle, die wie ich ihre Jugend in den 2000ern verbrachten, waren die beiden Samstags-Headliner sowas wie eine Zeitkapsel zurück in die Teens. Die Britrocker The Wombats sorgten für beste Indie-Partymusik und viel Tanzerei und spielten eine gelungene Mischung aus Hits wie „Let’s Dance to Joy Division“ und neuen Songs. Da sagt nochmal einer, Bands mit „The“ am Anfang seien so 2005…
Und die nächste Band, die schon vor 10 Jahren ganz groß war, spielten als Headliner im Zelt und waren keine geringeren als die großartigen Editors. Hier blieben jedenfalls keine Beine still, denn was diese Band hier ablieferte war ziemlich grandios und zeigt, dass sich eine Band gleichzeitig treu bleiben und mit der Zeit gehen und sich weiterentwickeln kann.
SONNTAG
Kat Frankie hat sich selbst sehr gefreut, dass sie zum zweiten Mal beim Maifeld Derby sein darf. Das Publikum hat sich gleich mitgefreut – zu Recht: das hier ist intelligenter Pop mit einer starken Frontfrau. Ein optisches Schmankerl: der Unisex-Look der Band – alle in Rot, sehr schick, danke, nächstes Jahr dann gelb?
Draußen auf der Fackelbühne ging es optisch ebenfalls interessant her. Alles, was die New Yorker Vintageshops so hergeben, hing wohl an Gus Dapperton und seiner Band. Auf Platte überzeugt mich die Musik sehr, live hätte es für meinen Geschmack ein bisschen mehr von allem sein können. Die erhoffte Stimmung lieferte dafür Ätna im Parcours d’Amour mit ihrem komplexen Elektro-Pop. Schon beim Reden war die Stimme der Sängerin so charmant-schön, dass es mit Gesang und Instrumenten alles noch viel charmanter wurde, definitiv eine dieser typischen Maifeld Derby Neuentdeckungen!
Auch Mikaela Davis sorgte für Gänsehaut im Parcours d’Amour, alleine schon eine Harfe begeistert mich jedes Mal wieder. Die Kombination aus den funkigen Sounds ihrer Band, der zarten Stimme und der Harfe: klingt wunderbar, bitte weitermachen! Tja und was soll ich sagen, nach der leider irgendwie verdienten Fußballniederlage konnte ich mich auch ruhigen Gewissens auf The Kills konzentrieren. Auch wieder eine der Bands, die schon lange on air sind und die ich schon vor 10 Jahren (!) live bestaunt habe. Alison Mosshart ist einfach eine echte Bühnensau, anders kann man das nicht sagen. In Kombination mit der besseren Bühnenhälfte Jamie Hince sind die beiden definitiv das Duo Infernale dieses Derbys. Ihr neues Album ist gewohnt rockig, cool und treibend, sodass das Ganze live noch viel mehr Spaß gemacht hat! Yeha!
Genau so rockig ging es bei Black Rebel Motorcycle Club daher, die eine große Masse an Fans vor die Fackelbühne holten. Mich konnten die Herren jedoch nicht ganz so überzeugen, der Sound der einzelnen Songs war mir dann doch zu ähnlich – vielleicht lag es jedoch an meiner aufkommenden Festival-Müdigkeit. Der Sonntags-Headliner Eels haute dann nochmal alles raus, was sich an Power auf dem Derby aufgesammelt hat. Für die Band sonst ungewohnt bluesige, rauhe Klänge mischten sich mit den Eels-typischen ruhigeren Indie-Sounds.
Fotos: Sebastian Weindel (https://www.sebastian-weindel.de/)
In diesem Sinne: thank you for the show, Maifeld Derby und bis zum nächsten Jahr!