Kaum ein Choreograph ist so bekannt wie Alvin Ailey. Das liegt natürlich einerseits an seinem eigenen Tanzstil, der auch noch nach seinem Tod fortlebt, andererseits an der historischen Bedeutung Aileys. Denn er war einer der ersten, der afroamerikanische Tänzer auf die Bühne brachte und sie mit Weißen zusammen tanzen ließ. Was für uns heute vollkommen normal ist, war noch vor 50 Jahren eine Sensation. Ich hatte schon viel von Alvin Ailey gehört und war deshalb umso neugieriger, das Alvin Ailey American Dance Theatre live zu sehen.
Die Vision Aileys „Dance is for everybody“ spiegelt sich in jedem der vier Stücke wieder, die bei der Premiere in Mannheim gespielt werden. Ich bin im ersten Moment überrascht von den Figuren der Tänzer, die so gar nichts mit den Körpern klassischer Ballettänzer zu tun haben. Hier liegt der Fokus eindeutig auf der Kraft, doch genau das ist es, was die Company so besonders macht. Die Körper transportieren Lust am Tanzen und Leben, Stärke und Anmut.
Die vier Stücke bestehen aus „Open Door“, das gleichzeitig seine Deutschlandpremiere feiert, „Piazzolla Caldera“, „Takademe“ und dem Klassiker „Revelations“. Das erste Stück „Open Door“ von Choreograph Ronald K. Brown ist eine Hommage an Kuba und die dortige lateinamerikanische Tanzkultur. Sobald die zehn Tänzer die Bühne betreten haben, habe ich den Eindruck, eine Straßenszene in Mittel- oder Südamerika zu beobachten.
Zur Musik des Afro-Latin Jazz Orchestra kombinieren die Tänzer Salsa und Samba mit Modern Dance. Es wechseln sich harmonische Paartänze mit Gruppenchoreographien und fast improvisiert wirkenden Einzelauftritten ab. Mich beeindruckt vor allem die Lockerheit und die positive Ausstrahlung der Tänzer. Auch die Kostüme strahlen genau dies aus: in zum jeweiligen Typ passenden Farben, Mustern und Schnitten erinnern mich die Kostüme an Vielfalt und Lebensfreude.
Im anschließenden Stück „Piazzola Caldera“ von Choreograph Paul Taylor bleiben die Tänzer geografisch in Südamerika, denn dieses Stück interpretiert den Tango neu. Er wird mit Modern Dance weitergeführt und so entsteht eine sinnliche Choreographie, die an verrauchte Tanzclubs erinnert. Auch hier stimmen Bühnenbild und Kostüme, wirken aber eher unterstützend als dominant. Von der Decke hängen schummrige Leuchten, die Frauen tragen luftige Kleider mit floralem Print und Strumpfhaltern, die Männer Hosenträger und offenes Hemd.
Das nur 5-Minuten dauernde Stück von Choreograph und künstlerischem Leiter Robert Battle „Takademe“ ist komplett anders. Zu einem tempowechselnden Silbengesang dekonstruiert Tänzer Renaldo Maurice den indischen Kathak-Tanz. Spätestens jetzt bin ich beeindruckt, wie vielseitig das Repertorie der Company ist.
Zum Schluss kommt das Stück „Revelations“, eine Choreographie von Alvin Ailey selbst. Zu klassisch afroamerikanischer Musik wie Gospels, Blues und Ring Shouts weisen die Tänzer hier auf ihr kulturelles Erbe hin. Dabei folgt die Choreographie sowohl inhaltlich als auch mittels Bühnenbild und Kostümen der Entstehung der afroamerikanischen Kultur: die Tänzer erheben sich vom Boden ausgehend, werden größer, gehen über zur Taufe in Weiß und Hellblau und enden schließlich in der Gospelkirche in Gelb, erdigen Tönen und Schwarz.
Am Ende verabschieden sich die Tänzer – wie auch sonst – lässig tanzend, mit strahlenden Gesichtern und das Publikum gibt Standing Ovations, der ein oder andere wippt sogar ein bisschen mit. Auch ich war hin und weg von der Kraft und der Vielseitigkeit des Abends. Für jeden Tanz- und Kulturfan ist das Alvin Ailey American Dance Theatre ein absolutes Muss.
Für die Auftritte in Mannheim gibt es noch Karten an der Abendkasse! Ende August gastiert die Company außerdem in Frankfurt.
Mehr Infos zu den Terminen: http://www.bb-promotion.com/veranstaltungen/alvin-ailey-american-dance-theater/