Nach dem Maifeld Derby ist vor dem Maifeld Derby – zumindest für mich. Das Festival hat mir bisher jedes Mal so gut gefallen, dass ich mich danach schon auf das Festival im nächsten Jahr freue. So geht es mir auch heute, wenn ich die Eindrücke des letzten Wochenendes Revue passieren lasse. Auch wenn der gute Petrus uns im Vergleich zum restlichen Deutschland in Mannheim noch relativ verschont, hat sich mir sowie den anderen Festivalbesuchern an jedem Tag die Frage gestellt: Regenjacke oder Sonnenbrille? Am besten vorbereitet war, wer beides dabei hatte, denn von Regen über heftige Gewitter bis zu Hitze war an diesem Maifeld Derby in Sachen Wetter alles dabei.
Kommen wir aber zu den wichtigen Dingen: der Musik. Dass das Maifeld Derby mit einer sehr exquisiten Bandauswahl glänzt, hat sich inzwischen auch außerhalb Mannheims herumgesprochen und so waren es dieses Jahr wohl wieder ein paar mehr Besucher als letztes Jahr. Die Headliner wie James Blake, Boy oder Flume tummeln sich normalerweise auf den ganz großen Festivals und so war es umso spannender sie in einem verhältnismäßig familiären Umfeld zu sehen.
DER FREITAG
Den Einstieg für uns machten am Freitag die Briten von SG Lewis. SG Lewis ist eigentlich Produzent und wird gerade auf der Insel für seinen entspannten Electro-Sound ziemlich gefeiert, auf der Bühne wurde er von einer Liveband unterstützt. Als Einstimmung war SG Lewis also ziemlich perfekt, weil er die Mischung aus Partystimmung und Entspannung, die tonangebend für den Freitagabend war, ziemlich auf den Punkt traf.
Nachdem wir danach bei diversen leckeren Essensständen, z.B. von den Mannheimer Locals wie Kombüse und Glück&Verstand geschlemmt hatten, ging es für uns auch schon weiter zu Headliner Mø. Ich bin schon seit einer Weile großer Fan von der quirligen Dänin, doch dass sie das gesamte Palastzelt mit ihrem Elektro-Pop so zum Beben bringen würde, hätte auch ich nicht gedacht. Seit kurzem kennt man Mø von Major Lazors Hit „Lean on“, doch ihre Stimmgewalt zeigt sich erst live so richtig. Was sie dazu noch als Bühnenprogramm ablieferte, glich einem Marathon gepaart mit einem Besuch im Fitnessstudio. Ich konnte ihr kaum folgen, mal war sie mitten in der Menge, dann hüpfte sie zwischen Drummer und Keyboarder herum, um danach plötzlich von der anderen Bühnenseite wieder herauszuspringen. Wer dazu noch so einwandfrei singt wie Mø, verdient Respekt. Auch bemerkenswert war ihre tolle Liveband, die wirklich alles gegeben haben um das Energiebündel an der Front zu unterstützen.
Weiter ging’s zum Pianisten Martin Kohlstedt, der im Parcours d’Amour den romantischen Sonnenuntergang mit seiner beeindruckenden Neoklassik begleitete. Wenn es musikalisches Storytelling gibt, dann ist Martin Kohlstedt ein Meister darin. Mit geschlossenen Augen träumte ich mich in andere Welten, während sich der Meister selbst mit dem Rücken zum Publikum nur auf seine zwei Pianos und das elektronische Beiwerk konzentrierte, mit dem er seine Klaviermusik verzerrte, loopte etc..
Danach kam auch schon Flume auf die Bühne. Der junge Australier steht für poppigen Electro, auf den sich tatsächlich alle einigen können, auch diejenigen, die sonst eher keine Electrofans sind. Die Stimmung im Palastzelt hätte nicht besser sein können, sodass ich für einen kurzen Moment dachte, in einem Club zu tanzen. Die aufwendigen LED Projektionen sorgten für die passenden Visuals zu den jeweiligen Songs. Manch einer war von den vielen Hip-Hop Featurings ein bisschen genervt, ich fand die Mischung der vielen Musikstile genau richtig zum Tanzen und als Abschluss eines ersten grandiosen Tages.
DER SAMSTAG
Am Samstag stand eines meiner persönlichen Highlights an: Drangsal. Ich hatte die Pfälzer Jungs schon letztes Jahr entdeckt, als sie damals noch im kleinen Brückenaward-Zelt spielten. Seitdem haben sie ein wahnsinnig gutes Album herausgebracht, beim Anhören von welchem ich mir jedes Mal für die Jungs wünsche, dass sie 20 Jahre früher geboren wären. Ihr New Wave erinnert an die ganz Großen der 80-er Jahre und das ohne abgedroschen zu klingen. Hier stimmt einfach alles, selbst die Shoegaze-Attitude auf der Bühne. Die Frage, was in Landau und um Landau herum im Wasser (oder im Wein?) ist, drängt sich mir nach jedem Maifeld Derby immer mehr auf – Sizarr, Drangsal, Search Yiu – vielleicht kann mir da jemand weiterhelfen?! Beim Publikum kamen Drangsal genauso gut an wie bei mir und verbreiteten Neugier mit der Info, dass sie mit ihrem neuen Video noch eins auf den Jenny Elvers Coup draufsetzen werden – man darf gespannt sein!
Der Überraschungsact des gesamten Festivals war für mich jedoch Elias. Da kommt ein kleiner, zierlicher Schwede daher, stellt sich auf die Bühne, singt los und haut das gesamte Parcours d’amour mit seiner souligen Hammerstimme um. Was war denn da los?! Schon beim Ankündigen der ersten Bandwelle sind mir seine Songs und vor allem seine Stimme aufgefallen, aber live in Kombination mit seiner Powerband hat er noch mehr überzeugt. Normalerweise bin ich ja nicht so für Vergleiche, aber wer sich hier stimmlich an John Legend erinnert fühlt, der liegt absolut richtig. Nächstes Jahr bitte mindestens im Palastzelt!
Die beiden Headliner James Blake und Explosions in the Sky haben mich hingegen leider beide nicht vollends überzeugt. Sowohl Explosions in the Sky als auch James Blake haben meine Stimmung eher gedämpft. Natürlich ist vor allem James Blake bekannt für seine ruhigen, träumerischen Songs und seine markante Stimme, aber auf Dauer war es mir im Kontext der restlichen Bands zu ruhig. Vielleicht war ich aber auch nach der Stimmungsbombe Mø und der Party bei Flume schon zu sehr auf schnelle und poppige Töne eingestellt. Zweifelsohne lässt sich auch über James Blake sagen, dass er stimmlich in jeder Hinsicht überzeugt, für mich ist er jedoch eher ein Act für ein einzelnes Konzert.
DER SONNTAG
Nachdem das Wetter am Sonntag vollkommen verrückt gespielt hat und uns mit einem ordentlichen Gewitter begrüßt hat, kamen wir gerade noch rechtzeitig für die junge Band WOMAN aus Köln. Man nehme ein bisschen Funk und Psychedelic und mische es mit einer großen Portion Elektro-Pop und fertig ist die Gute-Laune-Musik von Woman. Das Publikum und ich wären gerne noch auf ein paar Songs mehr geblieben, doch Woman ist so neu, dass sie gerade erst eine EP mit fünf Songs veröffentlicht haben und daher den Zugabewunsch nicht befriedigen konnten. Lassen wir ihnen mal ein paar Monate Zeit, dann wird sich das sicher ändern!
Während der Essenspause haben wir Algiers und Battles auf der Fackelbühne im Freien zugehört. Die Bands könnten unterschiedlicher nicht sein. Algiers sorgten für ordentlich Stimmung mit Crossover vom feinsten inklusive Gospel- und Soul sowie Shouting-Elementen. Battles hingegen packten so ziemlich alles aus, was es an Geräuschen gibt und lieferten ein regelrechtes instrumentales Musik-Experiment ab. Zum Zuhören war das teilweise schon so komplex, dass man mal kurz vergessen konnte, auch noch die Beinchen im Takt zu bewegen.
Der letzte Abend war schließlich von Girl-Power geprägt. Die wunderbaren BOY verzauberten das Maifeld Derby mit ihrem Indie-Pop-Singer-Songwriter Mischmasch, für den sie inzwischen weltweit gefeiert werden. Auch für mich, die BOY schon mal vor einigen Jahren gesehen hat, war das Konzert absolut überzeugend. Valeska und Sonja werden live von einer Band begleitet, die nochmal ordentlich Zunder in die Songs bringt und so auch die ruhigeren Songs festivaltauglich aufbereitet. So sahen das auch alle anderen, die trotz gefühlter 50 Grad Hitze im Zelt ausharrten, mitklatschten, mitsangen und tanzten.
Vom Gewitter begrüßt, vom Gewitter verabschiedet. Passend zum melancholischen Sound von Abschlussband Daughter ging ein heftiges Unwetter über uns herunter, zum Glück ohne Komplikationen. Schon beim Maifeld Derby 2013 haben mich Daughter begeistert und nachdem sie vor Kurzem ihr zweites Album veröffentlicht haben, war es Zeit, dass sie wieder nach Mannheim kommen. Sängerin Elenas Stimme hüllte mich in einen Traum-Zustand mit Gänsehautfeeling, den ich am liebsten nicht verlassen wollte. Das Prasseln des Regens und das Donnern passte so gut zu den Songs, dass ich teilweise nicht unterscheiden konnte, was nun Teil der Show war und was nicht. Auffällig war hier die gute Mischung aus ruhigen und schnellen Songs, denn Daughter bereitet einige ihrer langsameren Songs in der Liveversion wesentlich rockiger und tanzbarer auf. So begleitete mich Daughter mit einem lachenden und einem weinenden Auge ans Ende dieses wunderbaren Festivals: schade, dass es schon vorbei ist – ich freu mich schon aufs nächste Derby!
Fotos: Sebastian Weindel (www.sebastian-weindel.de)
Mehr tolle Fotos gibt’s unter http://www.sebastian-weindel.de/maifeld-derby-2016-fotos/
Nochmal an dieser Stelle: das Maifeld Derby ist wirklich ein ganz besonderes Festival. Vielen Dank an alle, die das Festival möglich machen, das so eine Bereicherung für Mannheim und die Region ist!
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