Wir alle waren einmal Pubertiere. Manche von uns haben inzwischen sogar eines oder mehrere zu Hause und sollten sich daher besonders gut mit seinem Wesen und Habitat auskennen – genau wie Jan Weiler. Der Autor und Journalist forscht seit einigen Jahren erfolgreich über Pubertiere. Doch Moment, was ist denn ein Pubertier?! Es handelt sich dabei nicht um einen neuartigen Haustiertrend, sondern vielmehr um das Geschöpf, in welches sich Kinder verwandeln, wenn sie in die Pubertät kommen.
Pubertier ist die liebevolle Wortneuschöpfung von Jan Weiler, der schon mit seinem Bestseller „Maria ihm schmeckt’s nicht“ sehr erfolgreich war und jetzt mit seinem Roman „Im Reich der Pubertiere“ nachlegt. Schon in „Das Pubertier“ hat er sich humorvoll mit dem alltäglichen Familienwahnsinn beschäftigt, der über seine Familie hereingebrochen ist, seitdem seine Tochter in die nervenaufreibende und doch so spannende Übergangszeit zwischen Kindsein und Erwachsenenalter gekommen ist.
Im Rahmen des Literaturfestivals lesen.hören10 hat Jan Weiler sein Bühnenprogramm „Mein Leben mit dem Pubertier und andere Geschichten“ zum Besten gegeben und dabei tiefe Einblicke in seinen Familienalltag ermöglicht. Von Diskussionen über lästige Dinge wie Putzen und Aufräumen über den Kampf gegen die Pickel bis zum ersten jungen Mann im Hause Weiler waren allerlei Szenarien dabei. Ein paar Geschichten über den italienischen Schwiegervater und die deutsch-italienischen Unterschiede durften natürlich nicht fehlen. Dem Publikum hat es auf jeden Fall gefallen und viele nickten immer wieder mit einer Mischung aus Verständnis und Mitleid. Jan Weiler schaffte es, ein so simples, alltägliches Thema durchaus amüsant zu vermitteln, was nicht zuletzt an seiner lockeren, uneitlen Art liegt. Eines blieb mir nach diesem Abend ganz besonders im Gedächtnis: wie wichtig es ist, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen!
Wir haben den Autor vor seinem Auftritt getroffen und ihn zu seiner eigenen Pubertät, deutsch-italienischen Erziehungsunterschieden und zum Journalismus befragt. Warum ihm Ludwigshafen einst als der Hotspot der Region erschien, hat er uns schließlich auch noch verraten.
In ihrem aktuellen Buch beschreiben Sie das Reich der Pubertiere. Wie war ihre Pubertät? Gibt es dazu eine lustige Anekdote?
Jan Weiler: Ich war eigentlich sehr schüchtern, hatte aber eine ziemlich große Klappe. Insgesamt fand ich meine Pubertät gar nicht lustig. Die Zeit mit meinen Freunden war das Einzige, was ich genossen habe.
Wussten Sie schon in der Pubertät, dass sie Autor bzw. Journalist werden wollen?
JW: Ja, ich wusste das sogar schon viel früher. Ich glaube, ich war etwa zehn Jahre alt, als mir diese Idee gekommen ist. Im Nachhinein finde ich das gar nicht so gut, dass ich mich schon so früh festgelegt habe. Das hat natürlich auch Vorteile, weil man eben ganz genau weiß, was man will. Andererseits entgehen einem aber auch nette andere Dinge. Fotograf, Architekt oder Schauspieler wären sicherlich auch spannende Berufe gewesen!
Was ist das Wichtigste in der Erziehung?
JW: Klappe halten und zuhören! (lacht) Ich denke, es ist wichtig, die Kinder nicht nur mit den eigenen Wertvorstellungen und Meinungen einzuengen. Es ist wichtig, dass sich die Kinder öffnen und von sich erzählen können. Man sollte sich selbst zurücknehmen. Ich neige selbst zu paternalistischen Monologen und weiß daher, wovon ich spreche!
Ihre Frau ist Italienerin. Was machen die Italiener anders in der Erziehung?
JW: Die Italiener machen einiges anders in der Erziehung, das ist aber nicht besser oder schlechter als die „deutsche“ Erziehung. In erster Linie finden die Italiener ihre Kinder vorbehaltlos super, das sind alles kleine Prinzen und Prinzessinnen. Deshalb sind viele italienischen Kinder sehr verwöhnt. Das hält auch an, wenn die Kinder erwachsen sind. Ich denke, eine gesunde Distanz wäre ganz gut. Auf der anderen Seite finden die italienischen Eltern die deutschen Eltern oft kühl im Umgang mit den Kindern. Ich denke, der Mittelweg ist die beste Lösung.
Sie sind Autor und Journalist und hatten auch eine Weile lang ein eigenes Restaurant. Packen sie die Dinge am liebsten selbst an und leben gerne selbstbestimmt?
JW: Auf jeden Fall! Selbstbestimmter als in meinem Job geht es ja kaum. Fotografen, Architekten oder Schauspieler sind zum Beispiel oft weisungsgebunden, Autoren eher nicht. Am Anfang hatte ich Angst, ob das alles funktioniert mit der Selbstständigkeit. Heute ist das für mich eindeutig der bessere Lebensentwurf.
Sie haben schon beinahe in jeder größeren Stadt in Deutschland gelesen. Welche Stadt ist ihre Lieblingsstadt für Lesungen?
JW: Es gibt Städte, auf die man sich besonders freut. Ich lese zum Beispiel gerne in Münster, Lüneburg und Erfurt. Diese Städte haben eine gute Atmosphäre.
Was uns als Mannheim-Blog natürlich interessiert: Haben Sie ein bisschen was von der Stadt gesehen, wenn ja, was und wie hat es Ihnen gefallen?
JW: Mannheim kenne ich nicht so gut. Ich war schon öfters in den Quadraten und bin dort auch in ein Kino gegangen. Ich habe einmal in Ludwigshafen gelesen, zu der Zeit als in Baden-Württemberg schon das Rauchverbot galt, in Rheinland-Pfalz jedoch noch nicht. Als ich dann nach der Lesung noch in eine Bar gegangen bin, war dort alles voll, sodass ich dachte, Ludwigshafen müsse echt ein Hotspot sein! Mir wurde dann erklärt, dass Ludwigshafen nur noch ein Hotspot sein wird, bis das Rauchverbot auch in Rheinland-Pfalz gelte (lacht).
Wie stehen sie zum Thema Self-Publishing? Heute kann jeder einen Blog schreiben oder ein E-Book veröffentlichen, ohne an einen Verlag gebunden zu sein. Sehen sie das eher positiv oder negativ?
JW: Die Frage ist vielmehr, ob es positiv oder negativ für die Qualität ist. Ein Verlag hat eine wesentliche Funktion für den Autor. Die Arbeit eines Lektors ist ein wichtiges Regulativ, weil sich jemand intensiv mit dem Geschriebenen auseinandersetzt. Das bedeutet jedoch nicht, dass es auf Blogs oder Self-Publishing Plattformen keine Qualität gibt. Ich denke jedoch, dass es viel schwieriger ist, diese Qualität dort zu entdecken, weil eben so viel publiziert wird.
Sie sind ja nicht nur Autor, sondern auch Journalist. Was haben Sie dem Vorwurf der „Lügenpresse“ zu entgegnen?
JW: Das ist dummes Zeug! Wir haben in Deutschland so eine qualitative Medienlandschaft. Die Leute, die „Lügenpresse“ rufen, sollten sich mal die Presse in Russland, Katar oder in den nordafrikanischen Ländern ansehen. Natürlich machen Medien Fehler, ich denke hier zum Beispiel an die verspätete Berichterstattung zu den Vorkommnissen an Silvester in Köln, aber ist das wirklich schon ein Indiz dafür, dass man etwas verschweigen will?! Das Wort „Lügenpresse“ zeigt letztlich, dass einige Leute sauer sind, dass nicht in ihrem Sinne berichtet wird.
Könnten Sie den Journalismus als Beruf auch heute guten Gewissens ihren Kindern empfehlen?
JW: Meine Tochter erwägt das tatsächlich als Beruf! Der Journalismus ist nach wie vor ein fantastischer Beruf, die Bedingungen haben sich nur verändert. Aber ich kann ihn absolut jedem empfehlen, der das wirklich machen will!
Sie haben sich vier Mal an der Deutschen Journalistenschule in München beworben, bis sie endlich genommen wurden. Am Ende bewarben sie sich eigentlich nur noch aus „sportlichem Ehrgeiz“. Zahlt sich Hartnäckigkeit im Leben aus?
JW: Auf jeden Fall! Wenn man an etwas glaubt, sollte man sich nicht unterkriegen lassen.
Fotos: Sebastian Weindel (www.sebastian-weindel.de)