Erst vor kurzem haben wir einen Beitrag über das Café Vogelfrei gebracht, eines meiner absoluten Lieblingscafés in Mannheim. Als ich neulich das Café verließ, entdeckte ich schräg gegenüber ein neues Geschäft: TEXTILEREI steht in großen Buchstaben am Schaufenster. Eine Puppe trägt einen schmal geschnittenen camelfarbigen Herrenmantel, eine andere ist mit einem lässigen schwarzen Wolloverall dekoriert. Der Laden sieht modern und übersichtlich aus. Von der Stange ist hier nichts – das merke ich sofort. Meine Neugierde ist geweckt!
Die Textilerei ist bei Weitem mehr als ein Geschäft mit einer Selektion von besonderem Mode- und Textildesign. Denn sie ist eines von neun Gründungszentren, zu denen zum Beispiel der Musikpark Mannheim, das C-HUB oder das alten Volksbad gehören. Sie sind allesamt Töchter der Stadt Mannheim, wobei die Textilerei sich auf Existenzgründung im Bereich Mode und Textilwirtschaft konzentriert.
Das Barockgebäude ist denkmalgeschützt und wurde aufwändig renoviert und restauriert, erklärt mir Nico Hoffmeister, der die Textilerei leitet. Die Nachfrage, sich in eines der neun Ateliers einzumieten, war gleich sehr hoch. Wer einmal kommt, mag so schnell nicht mehr weg. Das kann ich gut nachvollziehen, denn das alte Gebäude hat seinen alten Charme bewahrt und man erkennt an so mancher runder Ecke ganz deutlich, dass es kein Neubau ist.
In den Werk- und Schneiderräumen liegen neben den Industrienähmaschinen noch vereinzelt Maßband und Scheren. Die Designer sind über die Jahre schon ausgeflogen, aber ich kann mir gut vorstellen, wie an einem geschäftigen Tag hier genäht, geschnitten und skizziert wird. In einem Nebenraum lagern tausende Knöpfe, Garnrollen und jede Menge Stoffe, die nur darauf warten, verarbeitet zu werden.
Die Öffentlichkeit bekommt vor allem die liebevoll handgearbeiteten Ergebnisse der fleißigen Schneiderlein zu Gesicht: im Laden der Textilerei, der gleichzeitig Verkaufsfläche und Showroom ist. Als ich den Laden betrete, fällt mir gleich etwas Bekanntes ins Auge. Mich überkommt ein nostalgischer Schauer, als ich die Netztaschen sehe, die metallisch, bunt und trophäenartig an der Wand hängen. Als ich früher mit meiner Oma Kaufladen gespielt habe, hatte ich eine Netzeinkaufstasche, in die die tollsten Einkäufe gewandert sind. Die Netztaschen, inspiriert aus alten Zeiten, werden von Designerin KALAIKA mit metallisch glänzendem Ledergriff und stylischen Farben neu interpretiert zum Hingucker.
Meine Augen schweifen weiter durch den Showroom, in dem sonst die Designer und Modeschöpfer noch selbst hinter dem Verkaufstisch stehen. Die Handstrickunikate von MÜSSIGGANG, die ich bereits aus dem C-HUB kenne, gibt es hier auch in schönen gedeckten oder zarten pastelligen Tönen. Jungdesigner hetje, hinter der DJane Heidi van der Alm steckt, hat – wie auch im Concept Store BUTIQ – ein paar ihrer ausgefallenen Upcycling-Röcken im Showroom ausgestellt. Aber auch erfahrene Modedesigner wie Oberle, ein Assistent an der Modedesignschule Manuel Fritz, haben sich in einem Atelier niedergelassen. Er schneidert maßgefertigte Herrenbekleidung, bei der sogar unser Fotograf Sebastian Lust bekommen hat, einmal hineinzuschlüpfen.
Es haben sich noch weitere Designer im Showroom angesiedelt, die sich in die Textilerei eingemietet haben oder dort ihre Unikate anbieten. Ihre Logos und Fotos hängen in einer Art „Wall of Fame“ und zeigen die Gesichter hinter den jungen Designern, die davon träumen, ihr Leben ihrer Leidenschaft, der Mode und Textilen zu widmen und davon leben zu können: Oberle, hetje, KALAIKA, michelle huhn, mo-handstrick und CAROKISSEN. Nach und nach soll das Warensortiment um weitere Größen erweitert werden und durch ein paar Gastauftritte wie zum Beispiel von Jungfeld ergänzt werden.
Ansprechpartner Nummer eins in punkto Textilerei ist Nico Hoffmeister. Er hat die Leitung des Existenzgründerzentrums übernommen und unterstützt junge Designer von ihren ersten Gehversuchen an bis hin zum Aufbau ihrer eigenen Marke. Lest in unserem Interview, was Nico in Mannheim hält und erfahrt aus erster Hand, was es Interessantes über die Textilerei zu wissen gibt.
Fotos: Sebastian Weindel (http://sebastian-weindel.de/)
Die Textilerei bietet jungen ambitionierten Gründern aus der Modebranche ein textiles Zuhause. Gründer können sich mit einem kleinen Atelier als Bürofläche einmieten und die komplette Infrastruktur des Existenzgründerzentrums mitnutzen. Das heißt spezifische Beratung, angefangen bei Businessplänen und Fragen zur Firmengründung, bis hin zu begleitenden Support im textilen Fachbereich. Wir haben hier vollausgestattete Werkstattateliers, die mitgenutzt werden können und einen Shop, der als Präsentationsfläche, aber auch als Verkaufsraum dient. Was macht Mannheim als Standort für Existenzgründer im Modebusiness so attraktiv? Mannheim ist ja nicht so bekannt als die Modehauptstadt schlechthin, aber dennoch haben wir hier ein großes modisches Netzwerk, sowie Einzugsgebiet und sind Einzelhandelsmotor der Metropolregion. Das überregional bekannte Traditionshaus Engelhorn, ein Weltstadthaus von P&C oder Frau Dorothee Schuhmacher dokumentieren die vorhandene Modekompetenz der Stadt. Wie bist du selbst zu dem Job gekommen? Warum Mannheim? Ich bin Mannheimer (lacht) und habe schon lange in der Modebranche gearbeitet und bin über den Musikpark schon sehr lange mit der mg:gmbh vertraut. Nachdem ich 2014 wieder von Düsseldorf nach Mannheim kam, wurde mir angeboten, ob ich mit meiner bestehenden Expertise nicht Interesse an dieser Position hätte. Mich hat die Gründerszene hier in Mannheim schon immer sehr begeistert. Und da konnte ich natürlich nicht nein sagen. Worauf beruht deine Expertise? Welche früheren Erfahrungen bringst du mit? Ich habe BWL studiert und im PR Bereich bei der Firma Falke im Sauerland gearbeitet. Danach habe ich einen Abstecher nach München gemacht und in einer PR- und Event-Agentur gearbeitet. Später bin ich nach Mannheim zurückgekehrt, zur Sixty GmbH, und war dort zuerst im Bereich Vertrieb und Distribution tätig. Kurz darauf bin ich sozusagen wieder zu meinen Wurzeln zurückgekehrt und habe mich im Bereich Marketing und PR niedergelassen. Seit 2005 war ich Marketing- und PR-Leiter für die Firma Sixty in Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden. Wie kommen denn die Produkte ‚Made in Mannheim’ in Eurem Geschäft an? Wir haben unseren Shop ja erst seit ein paar Wochen geöffnet und verkaufen meistgehend „noch“ unbekannte Marken, deren Produkte allerdings fast durchweg handgefertigt sind und damit Unikate darstellen. Das muss den Besuchern erst einmal verständlich gemacht werden. Aber wir freuen uns, dass es bisher so positiv angenommen wird. Nach außen hin konnten wir auch schon ein paar Gründer in den regionalen Einzelhandel vermitteln, wir befinden uns daher auf einem sehr guten Weg. Gibt es im Shop ein Stück, das Dein persönlicher Favorit ist? Nein (grinst). Ich kann mich hier wirklich nicht für ein Teil entscheiden! Es gibt natürlich Produkte, wie bspw. die Handstrickunikate, die ich besonders toll finde. Das ist ja letztlich das schöne, das vielfältige Portfolio, das wir anbieten. Wir haben hier verschiedene Produktgruppen für verschiedene Geschmäcker. Noch dazu sind die Gründer sehr flexibel und können aufgrund ihrer Fertigkeiten und Fähigkeiten nach Wunsch und Maß individuell fertigen, das bieten die wenigsten.
Was ist das Konzept der Textilerei?
Auch die jungen Wilden, wie bspw. von Jungfeld, Storck & Fox, Junge Junge oder Alexej Ballach haben sich aktiv für den Standort Mannheim entschieden. Ich denke, das liegt an Mannheims Überschaubarkeit, den kurzen Wegen und daran, dass alles sehr zentral stattfindet. Zum anderen liegt das aber auch an der Stadt selbst und wie Existenzgründerförderung hier gelebt und vorgelebt wird.
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C4, 6
68159 Mannheim
Tel.: 0621/86242885
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Straßenbahnen: 1,2,3,4,5,6,7
Haltestelle: Paradeplatz
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Do u. Fr 16 – 20 Uhr
Samstag: 11 – 18 Uhr